„Es ist eine uralte, eine antiquierte Stadt und im Sommer doch die lebendigste, kulturellste von Europa.“ Tagung der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft in Salzburg

Von Prof. Dr. em. Mariana-Virginia Lăzărescu

 

Im Frühjahr 1919 kam Stefan Zweig (1881-1942) mit seiner Lebensgefährtin Friderike von Winternitz und ihren beiden Töchtern aus erster Ehe nach Salzburg, „wo ein kleines Schlössel mit wunderbarem Garten so ziemlich das darstellen wird, was von unserm einstmals beträchtlichen Vermögen übrigblieb. Aber ich habe längst über Alles das ein Kreuz gemacht, ich weiß, wenn nur einmal Ruhe wird, komme ich schon gut durch, ein Garten und ein Haus ist schließlich Alles, was ich ersehnte. Ich sehne mich nur nach fünf Jahren wieder einmal in einem eigenen Zimmer und mit meinen Büchern zu sein.“ Das Haus am Kapuzinerberg 5, das sogenannte „Paschingerschlössl“, oder auch als „Trompeterschlössl“ bekannt, wurde zur „Villa in Europa“, von der Zweig in seinen Erinnerungen berichtet.

Die Internationale Stefan Zweig Gesellschaft (ISZG) wählte diesmal mit Recht die Stadt Salzburg, die Zweig scherzhaft „Gmachlville“ nannte, als Tagungsort und ermöglichte somit den Teilnehmenden, viel Neues über den Autor zu erkunden. In der malerischen Stadt an der Salzach begann nämlich Zweigs literarischer Welterfolg in den 1920er Jahren. 15 Jahre lebte Zweig in Salzburg, wo im April 1938 seine Bücher auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden. 1934 verließ er die Stadt und zog nach England, wo er in Bath ein Haus, ein „Ersatz-Salzburg“, kaufte.

Nach dem informellen Treffen im „Stüberl“ des berühmten Café Tomaselli erfolgte der Auftakt zur Tagung im Stefan Zweig Zentrum in der Edmundsburg auf dem Mönchsberg. Der Zugang über den Toscaninihof in der Altstadt ließ die Teilnehmenden das traditionsreiche Festspielhaus von Salzburg bewundern. „Es ist eine uralte, eine antiquierte Stadt und im Sommer doch die lebendigste, kulturellste von Europa. Da schwemmen zu den Festspielen die großen Luxuszüge die reichsten, die bekanntesten, die berühmtesten, die neugierigsten Menschen Europas heran, und Salzburg ist für zwei Monate die europäischste Hauptstadt der Musik, des Theaters und der Literatur.“ So der Wortlaut in Zweigs Text „Salzburg – die Stadt als Rahmen“, der von Malte Godglück im schönen Ambiente der „Wappenstube“ im Gasthof „Gablerbräu“ zur späten Stunde vorgelesen wurde.

Die Führung durch die Ausstellung im Stefan Zweig Zentrum übernahm die Leiterin desselben, Dr. Martina Wörgötter-Peck, und lieferte weniger bekannte Einzelheiten zur Biografie des Autors sowie zu seinem Werk und zur Sekundärliteratur. Am zweiten Tagungstag fand ihr äußerst informativer Vortrag über Friderike Zweigs lyrisches Tagebuch statt, gespickt mit Zitaten aus Gedichten, wobei die Arbeit an der eigenen Autorschaft besonders hervorgehoben wurde. Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“ erfreute sich einer außergewöhnlichen medialen Rezeption vor allem in der Zeitspanne 1929-2017, was aus dem gründlich recherchierten Vortrag von Prof. Dr. Rita Unfer Lukoschik (Berlin) ersichtlich wurde. Zum wissenschaftlichen Teil der Tagung gehörten weiterhin der Vortrag von Julia Glunk, Lina Maria Zangerl (Salzburg) und Oliver Matuschek (Berlin) über das Kulturerbe digital und die Korrespondenzen Zweigs auf stefanzweig.digital sowie der Vortrag von Mag. Angelika Jungwirth in der Reihe „Junge Wissenschaft“ zur übernationalen Idee Zweigs am Beispiel seines Montaigne-Essays und der Vortrag von Dr. Bernhard Forster (Passau) über die Beziehung Stefan Zweigs zu Hans Carossa mit einem Ausblick in das Künstlerwerk des Letzteren.

Was die Tagungen der ISZG so attraktiv macht, die vom Präsidenten Hildemar Holl mit Fachwissen und Enthusiasmus, aber auch mit unverwechselbarem Humor organisiert werden, ist auch das Rahmenprogramm, das Lesungen oder Ausflüge vorsieht. Diesmal führte die Tagesexkursion nach Thumersbach, wo sich Zweig 1931-1932 aufhielt und nach Zell am See, wo er 1923-1930 weilte. In Thumersbach konnten die Teilnehmenden das Blaickner-Seehäuschen in der Seeuferstr. 76 besichtigen, über dessen Bedeutung Dr. Peter Wittner zu den Gästen sprach. Die detailreiche Führung durch die Alfred-Kubin-Ausstellung machte Mag. Karin Mosbacher und ging dabei auf Leben und Werk des berühmten österreichischen Zeichners, Graphikers, Buchillustrators und Schriftstellers ein, der als bedeutender Vertreter des Expressionismus gilt.

Anschließend fand der Spaziergang durch den schönen Wald, auf sanften Moosen und alten Baumwurzeln, auf dem beeindruckenden Kultur-Themenweg Thumersbach statt, wo eine Station Stefan Zweig gewidmet ist, der als Bronzestatue auf einem Schachbrett steht und zu den Persönlichkeiten gehört, die den Ort mitprägten und von der malerischen Natur um den Ort beeinflusst wurden.

Ein Highlight der Tagung war die Überfahrt mit dem Schiff zum Grand Hotel, wo Stefan Zweig in den Jahren 1925-1930 nächtigte. Von dort ist man nach Bad Gastein weitergefahren, wo der Direktor des Museums, Siegfried Moser, wichtige Informationen über Zweigs dortige Aufenthalte erteilte. Bad Gastein ist ein Ort wie kaum ein anderer in Österreich, der zahlreiche Verbindungen zur Politik und Kultur hat, weil eine große Anzahl von Persönlichkeiten ihn im Laufe der Zeit für das Thermalwasser besuchten, was ihm auch den Beinamen „Monte Carlo oder Monaco der Alpen“ einbrachte. Schriftsteller und Dichter wie Arthur Schopenhauer, Franz Grillparzer, Peter Rosegger, Thomas Mann u.v.a. verarbeiteten in ihren Werken die von der atemberaubenden Landschaft ausgehenden Eindrücke. Als ältester Literaturhinweis auf das Bad in der Gastein galt bisher immer das Minnelied Neidharts von Reuenthal „Ein Graserin in der Gastein“ aus dem 13. Jh. Dank neuerer Forschung wurde jedoch festgestellt, dass es ihm irrtümlicherweise von einem Verleger drei Jahrhunderte später zugeschoben wurde.

Eine Aufnahme vom 18. August 1903 zeigt König Karl I von Rumänien nach dem Kirchenbesuch. Er wohnte in den Sommern 1902 bis 1905 jährlich im Kaiserhof. Daran erinnert die nach ihm benannte Promenade.

Am Abend des reichhaltigen Tages fand der spannende Vortrag von Oliver Matuschek (Berlin) zu einem gefälschten Manuskript aus Zweigs Sammlung statt.

Die Tagung endete mit einer eindrucksvollen musikalischen Matinee des Daphnis Quartetts. Gespielt wurde aus Anlass des 200. Geburtstages Anton Bruckners sein Streichquintett in F-Dur aus den Jahren 1878 und 1879, das umfangreichste und bedeutendste Kammermusikwerk des österreichischen Komponisten.

Die Teilnehmenden wählten in der Mitgliederversammlung einstimmig Hildemar Holl zum Präsidenten der ISZG wieder und dankten ihm innig für sein Engagement und für seine Kompetenz. Besonderer Dank gebührt auch Malte Godglück, der die Teilnehmenden jedes Mal mit seiner sanften Stimme begeisterte, wenn er Briefe oder Texte von Stefan Zweig vorlas.

Als nächster Tagungsort 2025 wurde Paris festgelegt und die Vorbereitungen laufen schon.

Diejenigen, die nach Ende der Tagung den Nachmittag in Salzburg verbrachten, besuchten das DomQuartier am Residenzplatz, das in diesem Jahr seinen 10. Gründungstag begeht. Residenz, Dom, Erzabtei haben über Jahrhunderte die Stadt und das Land Salzburg geprägt. Früher zählten nur Fürsterzbischöfe und Auserwählte zu den Besuchern. Der Rundgang durch die vier Institutionen des DomQuartiers stellt heute unter Beweis, dass es „mehr als ein Museum“ ist, nämlich ein eindrucksvolles Gesamtkunstwerk aus Architektur, Kunst und Musik. Beim Rundgang durch Prunkräume, Residenzgalerie, Dommuseum und Museum St. Peter lernt man auch die Dauer- und Sonderausstellungen sowie einen wesentlichen Teil des Weltkulturerbes Salzburgs kennen. Die Sonderausstellung „Farben der Serenissima. Venezianische Meisterwerke von Tizian bis Canaletto“ (21.6.2024-6.1.2025) in der Residenzgalerie trägt einen doppeldeutigen Titel, denn er bezieht sich einerseits auf die besondere Farbgebung in der Malerei, andererseits auf die Farben der Stadt Venedig. Die umfassende Schau der Werke von Tizian über Tintoretto und Veronese bis Canaletto erzählt die einzigartige Erfolgsgeschichte der Malerei in Venedig von der Renaissance bis zum Rokoko. Porträts vornehmer Venezianerinnen und Venezianer erinnern an die herausragende Handelsmacht, die einfühlsame Landschaftsmalerei löst bei den Betrachtenden tiefste Emotionen aus.

Die Sonderausstellung „Heilige Orte – Ansichten von Hubert Sattler (1817–1904)“ (8.3.2024-3.2.2025) im Nordoratorium zeigt heilige Orte, Gebets- und Kultstätten unterschiedlichster Konfessionen von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Johann Michael Sattler ist der Schöpfer des berühmten Sattler-Panoramas, der Veduten von Stadt und Land Salzburg hinterließ. Sein Sohn Hubert Sattler brachte Ansichten von seinen Weltreisen mit. Beeindruckend ist, dass Anfang des 19. Jahrhunderts sich die Welt für die Menschen auf virtuelle Weise öffnete und man die Fremde durch Guckkästen, Panoramen und Kosmoramen kennenlernte. Die Auswahl der Werke folgt den Reisezielen und Präferenzen von Hubert Sattler. Zu sehen sind dabei neunzehn Kosmoramen aus vier Kontinenten (Europa, Afrika, Nordamerika, Asien) und erstmals Zeichnungen und Skizzen, die unmittelbar am Ort entstanden sind.“

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