Die „Internationale Stefan Zweig Gesellschaft“ trauert um Herrn Prof. Dr. Zhang Yushu, emeritierter Ordinarius der Deutschen Abteilung der Peking Universität, der am 5. Januar 2019 im Alter von 84 Jahren in Peking verstorben ist.
Prof. Zhang Yushu galt als Doyen der chinesischen Germanistik. Er wurde 1934 in Shanghai geboren und studierte in den 1950er Jahren Germanistik an der Peking Universität. Im Alter von 25 Jahren wurde er zur körperlichen Arbeit aufs Land verschickt und hielt sich geistig aufrecht, indem er Gedichte von Heine memorierte. Erst nach dem Ende der Kulturrevolution konnte er 1979 erstmals nach Deutschland reisen. Er hat über viele Jahrzehnte die chinesische und ostasiatische Germanistik geprägt.
Prof. Zhang Yushu war seit 1998 Mitglied der ISZG, seit 1999 im „Wissenschaftlichen Beirat“.
Er hatte Gastprofessuren an der Renmin Universität in Peking, der Shanghai International Studies University, der Zhejiang Universität, der Ningbo Universität, der Hangzhou Universität sowie an der Universität Bayreuth inne.
Im Jahr 2002 verlieh ihm die Universität Tübingen aufgrund seiner großen Leistungen für die Entwicklung der chinesischen Germanistik und die akademische Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland die Ehrendoktorwürde.
Neben Heinrich Heine und Friedrich Schiller galten sein Forschungsinteresse und seine Übersetzungtätigkeit in hohem Maße Stefan Zweig. Bis in die frühen 1980er Jahre reicht Zhang Yushus Übersetzungsarbeit der Werke Stefan Zweigs zurück; an Übersetzungen von Werken Zweigs hat er bis zuletzt gearbeitet.
Untrennbar mit seinem Namen ist die von ihm im Jahr 2000 gegründete Publikation Literaturstraße, Chinesisch-deutsches Jahrbuch für Sprache, Literatur und Kultur verbunden.
Im Jahr 2005 wurde Prof. Zhang mit der Festschrift „Wenn Freunde aus der Ferne kommen“ – Eine west-östliche Freundesgabe für Zhang Yushu zum 70. Geburtstag geehrt.
Mit dem umfangreichen Buch Mein Weg zur „Literaturstraße“. Ausgewählten Arbeiten eines chinesischen Germanisten (2009) legte Prof. Zhang einen Überblick über seine Forschungen vor, darunter folgende Arbeiten zu Stefan Zweig: Die Akzeptanz von Stefan Zweig in China nach der Kulturrevolution. Seelenleben – terra incognita und Stefan Zweig — ein unpolitischer Mensch?
Im November 2012, anlässlich des „Internationalen Stefan Zweig Kongresses“ an der Renmin-Universität in Peking, begegnete ich Herrn Prof. Zhang leider nur kurz, weil er erkrankt war und sich in häusliche Pflege begeben musste. In den folgenden Jahren aber wechselten wir regelmäßig E-Mails, wobei er mir häufig von seinen Übersetzungen berichtete. Er schickte mir immer wieder Listen mit Fragen, die seine Übersetzungen betrafen, sodass wir einen regen Gedankenaustausch führten. So konnte ich ihm bei der Übersetzung des Balzac, der Welt von Gestern und der Drei Meister: Balzac.Dickens. Dostojewski behilflich sein.
Ganz gerührt war ich, als er mir im Februar 2016 folgende Zeilen schickte: „Herzlichen Dank für Ihre schönen Glückwünsche zum chinesischen Neujahr. Da Sie China schon durch unsere Freundschaft und unseren gemeinsam geliebten und verehrten Meister Stefan Zweig gut kennen, gehören Sie auch zu uns.“
Prof. Zhang Yushu war eine faszinierende und herausragende Persönlichkeit mit außerordentlich vielen Vorzügen, von denen ich sein stetes und tatkräftiges Bemühen für die Kultur- und Literaturvermittlung zwischen China und dem deutschen Sprachraum besonders hervorheben möchte.
Die „Internationale Stefan Zweig Gesellschaft“ spricht seiner Familie ihre innige Anteilnahme aus und wird seinem Andenken stets Ehre erweisen.
Hildemar Holl, Salzburg