Stephan Matthias; Oliver Matuschek
„Stefan Zweigs Bibliotheken“
Herausgeber: Literaturarchiv Salzburg; Forschungszentrum von Universität, Land und Stadt Salzburg
144 Seiten, 95 Abb., farbig und sw
27 x 21 cm, Broschur
Erscheinungsdatum 26.11.2018
ISBN 978-3-95498-446-6
Hildemar Holl über Stefan Zweigs Bibliotheken
Während wir über Stefan Zweigs einzigartige Autographensammlung durch Oliver Matuscheks minutiösen Katalog („Ich kenne den Zauber der Schrift“, 2005) bis ins Detail informiert sind, war über seine umfangreiche Bibliothek und den Verbleib der Bücher bisher nur sehr wenig bekannt.
Welche Bücher standen in seinen eigenen Regalen, welche Werke inspirierten ihn und welche Quellen nutzte er für seine literarische Arbeit? Wegen der Aufteilung, Verteilung und schließlichen Auflösung seines Besitzes war der Verbleib seiner Bibliothek unbekanntes Terrain. So warteten die Geschichte und das Schicksal von Stefan Zweigs Bibliothek – als zentrales Arbeitsinstrument des berühmten Autors – auf ihre Entdeckung und Erforschung. Stefan Zweig verstand viel von Büchern, schätzte schöne Einbände, gutes Papier und fachmännische Druckqualität, aber er war kein Büchersammler mit jener Leidenschaft, die er für seine geliebten Autographen aufbrachte. Seinen Verlegern machte er es mit seinen Wünschen und Forderungen zur Buchgestaltung und –ausstattung auf Grund seiner umfangreichen Fachkenntnisse nicht immer leicht, erhielten sie doch penible Vorgaben für die Gestaltung seiner eigenen Werke.
Der Buchwissenschaftler Stephan Matthias, Bibliothekar an der Universität Oldenburg, und der Stefan Zweig-Biograph Oliver Matuschek legten Ende November 2018 einen reich bebilderten Band vor: „Stefan Zweigs Bibliotheken“.
Gegenstand der Untersuchung sind Stefan Zweigs Bibliotheken in Wien und Salzburg, London und Bath sowie Petrópolis in Brasilien. Von dem früheren Gesamtbestand von über zehntausend Bänden konnte nur ein Bruchteil von rund 1.300 Bänden ermittelt werden. Der umfangreichste erhaltene Bestand von Stefan Zweigs Bibliothek, rund 1.000 Bände, befindet sich bei den Erben in London, die auch diese Publikation unterstützt haben. Stefan Zweigs Weggang aus Salzburg im Februar 1934 und die Auflösung des Salzburger Haushaltes (Kapuzinerberg 5) im Mai 1937 schlugen breite Breschen in den Bücherbestand und dezimierten ihn. Wobei anzumerken ist, dass Stefan Zweig Teile seiner Büchersammlung verkaufte bzw. öffentlichen Bibliotheken als Geschenk angeboten hatte, so z.B. der London Library, London, oder der damaligen Studienbibliothek Salzburg (heute Universitätsbibliothek), welche auf die im Jahr 1937 angebotenen Bücher und Zeitschriften aber verzichtete.
Kleinere Bestände befinden sich in elf öffentlichen Sammlungen (u.a. Fredonia/USA, Jerusalem, Wien und Zürich), sowie in fünf Privatsammlungen in Deutschland, England, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Über die Nachlassbibliothek des Salzburger Schriftstellers und Malers Georg Rendl (1903-1972), dem Stefan Zweig 1937 mehrere Dutzend Bücher geschenkt hatte, und die Forschungsbibliothek des englischen Stefan Zweig-Biographen Donald A. Prater kamen z.B. insgesamt 188 Bände aus Zweigs Bibliothek in das Literaturarchiv und die Adolf Haslinger Literaturstiftung, beide in Salzburg. Die Stadtbibliothek von Petrópolis (heute Biblioteca Central Municipal Gabriela Mistral) verwahrt die in seinem letzten Wohnort in Brasilien vorhandenen Bücher, insgesamt 61 Bände.
Stefan Zweigs große Sammlung von gedruckten Autographenkatalogen verteilt sich heute auf das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und die Autographenhandlung J. A. Stargardt in Berlin.
Richtigerweise sprechen die Autoren von „Stefan Zweigs Bibliotheken“, besaß Zweig doch mehrere Büchersammlungen und nutzte sie nacheinander und parallel.
Umfangreiche Studien und Recherchen zu den mehrfach veränderten Signatursystemen und die Darstellung von hilfreichen Provenienzmerkmalen, die der Identitätsbestimmung der Bücher dienten, zeigen den Spürsinn, der dieser Forschungsarbeit zugrunde liegt. Die sorgfältige und spannende Beschreibung ausgewählter Bücher und der in ihnen hinterlassener Spuren lassen Rückschlüsse u.a. auf die Nutzung der Werke für Stefan Zweigs schriftstellerische Arbeit zu.
Der großzügig ausgestattete Band enthält zahlreiche, auch bisher unbekannte Bilder und versteht sich als Grundlage und Basisinformation für den online-Bibliothekskatalog Stefan Zweigs in der Datenbank „Stefan Zweig-digital“, in die laufend weitere Forschungsergebnisse und Funde eingearbeitet werden.
Mit der vorliegenden Publikation ist die Frage nach „Stefans Zweigs Bibliotheken“ in einer Breite und Tiefe beantwortet, wie es noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten wurde.